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Gericht: Oberlandesgericht Frankfurt
Beschluss verkündet am 30.07.2004
Aktenzeichen: 20 W 299/04
Rechtsgebiete: FGG
Vorschriften:
FGG § 12 | |
FGG § 69 f I 1 Nr. 2 |
OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN BESCHLUSS
Entscheidung vom 30.07.2004
In dem Betreuungsverfahren
...
hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main auf die weitere Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Fulda vom 08. Juni 2004 am 30. Juli 2004 beschlossen:
Tenor:
Der angefochtene Beschluss und der Beschluss des Amtsgerichts Bad Hersfeld vom 23. April 2004 werden aufgehoben.
Der Betroffenen wird Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt X Y, ... Straße ..., ... zu den Bedingungen eines in A ansässigen Rechtsanwaltes bewilligt.
Beschwerdewert: 3.000,-- EUR.
Gründe:
Die weitere Beschwerde, mit der die Betroffene sich gegen die Anordnung einer vorläufigen Betreuung wendet, ist zulässig und führt auch in der Sache zum Erfolg, da die Entscheidung des Landgerichts auf einer Verletzung des Rechts beruht (§§ 27 Abs. 1 FGG, 546 ZPO).
Das Landgericht hat verkannt, dass die Voraussetzungen für die vom Amtsgericht angeordnete vorläufige Betreuung nicht gegeben waren, so dass der angefochtene Beschluss und der Beschluss des Amtsgerichts über die Anordnung der vorläufigen Betreuung aufzuheben waren.
Gemäß § 69 f Abs. 1 S. 1 FGG kann das Vormundschaftsgericht durch einstweilige Anordnung einen vorläufigen Betreuer bestellen, wenn dringende Gründe für die Annahme bestehen, dass die materiellen Voraussetzungen für die Bestellung eines Betreuers gegeben sind und mit dem Aufschub Gefahr verbunden wäre. Bezüglich des Verfahrens setzt die Bestellung eines vorläufigen Betreuers voraus, dass ein ärztliches Zeugnis über den Zustand des Betroffenen vorliegt, im Falle des § 67 FGG ein Pfleger für das Verfahren bestellt wurde und der Betroffene persönlich angehört worden ist (§ 69 f Abs. 1 S. 1 Ziff. 2 - 4 FGG). Im vorliegenden Falle fehlt es am Vorliegen eines ordnungsgemäßen ärztlichen Zeugnisses über den Zustand der Betroffenen.
Zwar sind Inhalt und Anforderungen des ärztlichen Zeugnisses im Gesetz nicht näher umschrieben. Nach Sinn und Zweck des § 69 f Abs. 1 FGG hat das ärztliche Zeugnis jedoch die Funktion, aus fachlicher Sicht zu den materiellen Voraussetzungen für die Bestellung eines vorläufigen Betreuers einschließlich der Notwendigkeit der Betreuung Stellung zu nehmen ( vgl. BT-Drucks. 11/ 4528 S. 178 ), um so die nach § 12 FGG gebotene amtswegige Feststellung der erforderlichen Voraussetzungen sicher zu stellen ( Keidel/Kayser, FGG, 15. Aufl., § 69 f Rn. 6). Hierzu ist es erforderlich, dass der Arzt nicht nur eine Aussage über den von ihm festgestellten Zustand des Betroffenen trifft, sondern auch die hierfür maßgeblichen Anknüpfungstatsachen mitteilt; soll - wie im vorliegenden Fall, eine vorläufige Betreuung gegen den ausdrücklich erklärten Willen der Betroffenen eingerichtet werden, so muss sich das ärztliche Attest auch zu der hierfür erforderlichen Voraussetzung des krankheitsbedingten Fehlens der Fähigkeit zur freien Willensbestimmung äußern(vgl. BayObLG FamRZ 1999, 1611 und zu dieser Voraussetzung allgemein BayObLG BtPrax 1994, 209; OLG Hamm FGPrax 1995, 56; OLG Frankfurt am Main OLG-Report 1997, 68). Auch wenn dies im Gesetz nicht ausdrücklich vorgeschrieben ist, erfordert die ordnungsgemäße Erstellung eines ärztlichen Attestes, dass der Arzt den Betroffenen zuvor zeitnah persönlich befragt bzw. untersucht hat, da anderenfalls eine zuverlässige Beurteilungsgrundlage nicht gegeben ist. (vgl. Keidel/Kayser, a.a.O.; Damrau/Zimmermann, Betreuungsrecdht, 3. Aufl., § 69 f Rn. 8; HK-BUR/Rink, § 69 f Rn. 26; Bienwald, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 68 b FGG Rn. 10; OLG Hamm BtPrax 1999, 238; KG R & P 1996, 86/88).
Ein diesen Anforderungen genügendes ärztliches Attest ist hier nicht gegeben. Im vorliegenden Fall haben das Amts- und das Landgericht ihrer Entscheidung jeweils die gutachterliche Stellungnahme der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. B. C vom 02. März 2004 zugrunde gelegt. Die Fachärztin berichtet dort, dass sie die Betroffene persönlich nur aus Vertretungssituationen während zweier stationärer Aufenthalte in der ...-Klinik D aus dem Jahre 1995 und 1998 kennt. Zu einem persönlichen Kontakt aufgrund des ihr erteilten Gutachtenauftrages mit der Betroffenen kam es jedoch nicht. Vielmehr führte sie zum Zwecke der Vorbereitung der Begutachtung mit der Betroffenen am 14. Januar 2004 lediglich ein Telefongespräch, nachdem diese den zur Gutachtenserstellung angekündigten Hausbesuch der Ärztin abgelehnt hatte. Des weiteren sprachen die Eltern der Betroffenen unangemeldet bei der Fachärztin vor und berichteten aus ihrer Sicht über die Situation ihrer Tochter. Auf dieser Grundlage gelangte die Fachärztin zwar zu der Einschätzung, dass bei der Betroffenen eine chronisch- psychiatrische Erkrankung vorliegt. Die Fachärztin hält betreuungsrechtliche Hilfe für die Betroffene für gerechtfertigt, weist jedoch zugleich auf deren eindeutig ablehnend geäußerten Willen hin. Abschließend gibt die Fachärztin den ihr erteilten Gutachtenauftrag zunächst zurück und erklärt sich zu einem späteren Zeitpunkt mit der Annahme eines neuen Gutachtenauftrags einverstanden, falls die Betroffene dann gesprächsbereit sein sollte. Bereits aus dem Inhalt der Stellungnahme der Ärztin ergibt sich, dass sie dieser selbst aufgrund des bloßen telefonischen Kontaktes nicht die Qualität eines ärztlichen Zeugnisses beigemessen hat. Hieran fehlt es jedenfalls aufgrund des Umstandes, dass eine persönliche Untersuchung oder Befragung der Betroffenen durch die Fachärztin nicht stattgefunden hat.
Auch während des stationären Aufenthaltes der Betroffenen in der Psychiatrischen Klinik A vom 29. April bis zum 19. Mai 2004 wurde durch die beiden Tatsacheninstanzen weder ein ärztliches Zeugnis noch ein ärztliches Gutachten zur Frage der Notwendigkeit der Einrichtung einer vorläufigen oder endgültigen Betreuung eingeholt.
Aufgrund dieses Verfahrensfehlers, der im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht nachgeholt oder geheilt werden kann, waren die Entscheidung der Vorinstanzen aufzuheben.
Sollte die Betroffene entgegen der Ankündigung ihres Verfahrensbevollmächtigten in der weiteren Beschwerde auch zukünftig nicht bereit sein, freiwillig zu einer gerichtlich angeordneten Begutachtung zu erscheinen, so wird das Gericht erforderlichenfalls eine Anordnung nach § 68 b Abs. 3 FGG in Erwägung zu ziehen haben.
Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe beruht auf §§ 14 FGG, 114, 115 ZPO.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 131 Abs. 3 KostO.
Die Festsetzung des Beschwerdewertes ergibt sich aus §§ 131 Abs. 2, 30 Abs. 2 KostO.
Ende der Entscheidung
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